Der Unternehmer

visionär und pionier

Der Unternehmer

Schon früh, wenn auch in begrenztem Umfang, zeigte sich Ritschards Flair für unternehmerisches Denken und Handeln. In Kombination mit seinem Einfallsreichtum und seinem Gestaltungswillen realisierte er eine Vielzahl von Projekten aller Art. Nochmals erwähnt sei für diese Phase lediglich die Errichtung und der Betrieb der Modelleisenbahn in Zürich.

Sein wichtigstes Unternehmen baute Gustav Ritschard mit dem heute noch von der Familie weitergeführten Touristikzentrum Neuhaus-Manor Farm auf. Durch persönliche Beziehungen zu den Geschwistern von Steiger hatte Ritschard 1953 die Möglichkeit, das wunderschöne, damals fast unberührte, 4 Hektaren umfassende Gelände der Manor-Farm-Besitzung zu erwerben. Es bestanden damals Pläne, das Land vollständig mit 52 monotypen Ferienhäusern zu überbauen. Ritschard war aus idealistischen Gründen überzeugt, dass dies verhindert werden müsse. Als einzige wirtschaftlich tragbare Lösung, die seinen Zielen und denjenigen der Besitzer nahe kam, bot sich damals die Schaffung eines Zeltplatzes an. Sicher würde aus heutiger Sicht eine vollständige Freihaltung wie beispielsweise zuvor im Naturschutzgebiet Weissenau einen noch besseren Schutz gebracht haben. Weit und breit stand jedoch eine integrale Unterschutzstellung damals ausserhalb jeder realistischen Optik. Zudem war in der damaligen Zeit das Campingwesen etwas sehr Naturnahes; statt den Massentourismus sah man darin eher eine Ausdrucksform naturnahen Ferienmachens für Individualisten – eine Ansicht übrigens, die auch der Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee (UTB) teilte. Die weit vorherrschende Campingform war zudem das im Vergleich zu den heutigen Wohnmobils eher unauffällig wirkende Zelt.

Praktisch ohne eigene Mittel stürzte sich Ritschard also in das «Unternehmen Manor Farm». Nur mit Hilfe einer Reihe von begüterten Leuten aus der Region war es ihm möglich, das Terrain zu erwerben und die nötigen Einrichtungen für den Start zu erstellen. Diese Zwangsheirat erwies sich in der Folge als nicht sehr glücklich. Der Draufgänger und zielstrebige Schaffer geriet bald einmal in Meinungsdifferenzen mit den Mitaktionären. Dies führte schliesslich dazu, dass Ritschard aus dem Verwaltungsrat abgewählt wurde. Damit hatte er praktisch keinen Einfluss mehr auf das Unternehmen. In dieser Zeit wurde eine Linie verfolgt, die ihre Spuren bis heute hinterlassen hat, indem mit dem Verkauf einzelner Parzellen begonnen wurde, dies im Widerspruch zu den seinerzeitigen Abmachungen und Versprechen Ritschards gegenüber den Geschwistern von Steiger. Da die eingeschlagene Politik mit der Zeit einzelne Aktionäre sowie die Gläubigerbank nicht so recht zu befriedigen vermochte, kamen diese zur Überzeugung, dass Ritschard das Unternehmen in andere Bahnen bringen und daher in alleiniger Verantwortung weiterführen sollte. Die Kantonalbank von Bern stellte ihm die Geldmittel zur Übernahme des dazu nötigen Aktienanteils zur Verfügung. Finanzielle Unterstützung leisteten auch sein Bruder Alfred und ein guter Bekannter aus Interlaken.

Von nun an konnte Ritschard mit einem konsequenten, langjährigen Aufbau beginnen. Die Manor Farm wurde mit der Zeit zum schweizerischen Musterplatz. Ritschard vollbrachte Pionierleistungen, die auch in der Presse wiederholt gewürdigt worden sind. So berichtete die renommierte Wochenzeitung «Der Stern» 1977, dass die «Manor Farm» unter 6500 geprüften Anlagen unter die 20 schönsten Campingplätze Mitteleuropas eingereiht worden sei. Hans Behrmann, der Wegbereiter des Campingwesens in der Schweiz und Inhaber der Zürcher Zeltbaufirma Spatz schrieb 1968:

«So ging als erster der Besitzer der ‘Manor Farm’ in Interlaken dazu über, seinen Platz in Parzellen einzuteilen. Nicht in militärisch strenger Reihenordnung und keineswegs alle gleich gross, sondern dem Gelände, den Bäumen und den bestehenden Wegen angepasst. Da gibt es solche am Seeufer, die besonders gesucht sind; solche unter Bäumen; solche für Sonnenhungrige, andere wieder mit Stromanschluss für Wohnwagen – kurz: für jeden Bedarf etwas.  . . .  Dieses System hat sich bewährt und ist inzwischen von vielen anderen Ferienzeltplätzen, insbesondere im Tessin, übernommen worden.»

Dank dem weiterhin grossen Verständnis massgebender Persönlichkeiten der Kantonalbank von Bern, darunter Vizedirektor Hans Teuscher aus Unterseen, war es möglich, Jahr für Jahr Verbesserungen der Infrastruktur und der Einrichtungen vorzunehmen. Das Erfolgsrezept bestand darin, dass Ritschard als Architekt die bei einem derartigen Unternehmen zahlreich anfallenden Bau- und Unterhaltsarbeiten zweckmässig und kostengünstig ausführen konnte. Von Perfektionismus wurde abgesehen. Ins Gewicht fiel zudem, dass Ritschard für seine Leistungen jahrelang ein nur bescheidenes Entgelt bezog; Dividenden wurden nie – bis heute nicht – ausbezahlt, sondern sämtliche erwirtschafteten Erträge wiederum investiert.

Der Initiative Ritschards entsprang auch die Gründung des Verbandes Berneroberländischer Campingplätze sowie diejenige des Verbandes Schweizerischer Campings (VSC/ASC) im Jahre 1974. Er war Präsident des ersten und Vizepräsident des zweiten Verbandes.

1983 konnte unter Mitwirkung durch Sohn Jürgen nach sechsjährigen Sondierungen von der Kollektivgesellschaft Horn, Frei & Zwahlen die Liegenschaft Neuhaus mit dem Hotel, dem Motel, der Alten Sust und weiteren Gebäuden erworben werden, vorerst im Baurecht und schrittweise bis 2004 mit Grund und Boden. Wiederum war es eine gutgesinnte Bank, die Schweizerische Bankgesellschaft in Interlaken unter Direktor Robert Messerli, die diesen Schritt ermöglichte.

Über Gustav Ritschard
Gustav Ritschard * 1911 | ✝ 1997
Berge und Bergler
vom Sattler-Tapezierer zum Architekt
Eng verbunden mit Heimat & Brauchtum
Schweizerisches Freilichtmuseum Ballenberg